Blackout in Spanien: Warum der Verbund allein nicht schützt – und welche Konsequenzen die Schweiz ziehen muss
Als Ende April 2025 in Spanien und Portugal die Lichter ausgingen, war dies mehr als nur eine technische Störung. Der massive Stromausfall legte die gesamte Iberische Halbinsel lahm. Eine detaillierte Analyse der Ereignisse zeigt jedoch, dass physikalische Gesetze letztlich stärker sind als politische Marktmechanismen. Für die Schweiz lassen sich daraus folglich drei essenzielle Lehren ableiten, um die nationale Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu garantieren.
Um die Ursachen zu verstehen, muss man zunächst zwei fundamentale Regeln betrachten, die in jedem Stromnetz gelten : Es braucht zu jedem Zeitpunkt sowohl eine absolut ausgeglichene Strombilanz als auch ausreichende Leitungskapazitäten. Das bedeutet einerseits, dass exakt so viel Strom eingespeist werden muss, wie verbraucht wird. Andererseits darf der Stromfluss die Belastungsgrenzen der Leitungen niemals überschreiten. Werden diese Regeln verletzt, greifen Schutzmechanismen, die im Ernstfall Leitungen unterbrechen. Genau dieses Szenario ereignete sich am 28. April 2025.
Die Chronologie des Versagens
Der Blackout war kein plötzlicher Zufall, sondern das Resultat einer fatalen Kettenreaktion:
Der Ausgangspunkt: Die Chronologie beginnt um 7 Uhr morgens, während Portugal noch 2,1 Gigawatt (GW) Strom nach Spanien exportiert.
Der Kipppunkt: Kurz darauf führte jedoch ein ungeplanter Einbruch der portugiesischen Produktion dazu, dass das Land plötzlich auf Importe von 2,7 GW angewiesen war. Infolgedessen begann die Netzfrequenz als Zeichen der Instabilität stark zu schwanken.
Die Eskalation: Zusätzlich schalteten sich um 10 Uhr sämtliche Photovoltaikanlagen in Portugal ab, was die Frequenzschwankungen weiter massiv verschärfte.
Das unvermeidbare Ende: Da es bis zur Mittagszeit trotz Unterstützung aus dem europäischen Verbundnetz nicht gelang, die Frequenz zu stabilisieren , wurde die Iberische Halbinsel um kurz nach 12:30 Uhr vom Netz getrennt. Kaum drei Sekunden später trat der vollständige Blackout ein.
Der Trugschluss der „europäischen Sicherheit“
Dieses Ereignis widerlegt eindrücklich die weitverbreitete Annahme, dass ein großräumiger Stromverbund allein ausreiche, um Blackouts zu verhindern. Vielmehr ist entscheidend, dass jede Regelzone – in diesem Fall Spanien und Portugal – bei einer unausgeglichenen Bilanz jederzeit vom Verbund getrennt werden kann.
Denn tatsächlich konnte nur durch diese Abkopplung vom europäischen Netz eine weitere Ausdehnung des Blackouts auf den restlichen Kontinent vermieden werden. Für die Schweiz bedeutet dies: Im Krisenfall ist die Fähigkeit zur Trennung (Island-Mode) wichtiger als die blinde Hoffnung auf externe Hilfe.
3 Lehren für die Schweizer Versorgungssicherheit
Aus dieser Analyse leiten die Experten Urs Anton Löpfe und Giovanni Leonardi drei konkrete Empfehlungen für die Schweiz ab:
1. Automatische Abkopplung nicht nur können, sondern dürfen
Zunächst gilt es, eine automatische Abkopplung technisch zu ermöglichen und sicherzustellen. Zwar ist die Schweiz technisch bereits in der Lage, sich bei kritischen Frequenzabweichungen automatisiert vom europäischen Netz zu trennen. Dennoch sollte Swissgrid diese Funktion nicht nur aktivieren, sondern auch vertraglich mit der EU absichern, um im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben.
2. Energiezellen und Inselbetrieb fördern
Während fast überall das Licht ausging, blieb die Gemeinde Oseja de Sajambre versorgt, da sie als Energiezelle im Inselbetrieb funktionierte. Daraus folgt zweitens, dass auch die Schweiz ihre Insellösungsfähigkeit ausbauen sollte. Das heisst konkret: Nach einer Abkopplung muss die Schweiz ihre Regelzone eigenständig betreiben können. Hierfür ist der Aufbau von Energiezellen notwendig, die – genau wie im spanischen Beispiel – auch isoliert versorgt bleiben.
3. Regelleistung im Inland massiv erhöhen
Damit die Schweiz als „Strom-Insel“ stabil bleibt, sind Reserven nötig. Drittens ist es daher geboten, die Regelleistung im Inland deutlich auszubauen. Aktuell wird lediglich 1 GW vorgehalten. Um jedoch bei einer Abkopplung stabil zu bleiben, sollten bis zur vollständigen Stilllegung der Atomkraftwerke schrittweise mindestens 4 GW Regelleistung ausgeschrieben werden. Dies lässt sich zudem effektiv und marktwirtschaftlich über den Verordnungsweg umsetzen.
Fazit
Der Blackout in Spanien dient als Warnschuss. Er zeigt, dass physikalische Gesetze unabhängig von politischen Meinungen gelten. Folglich erfordert eine sichere Stromversorgung für die Schweiz nicht nur Vernetzung, sondern vor allem die technische und regulatorische Freiheit, im Notfall auch allein zu bestehen.
Hier der Link zum ganzen Artikel in der NZZ: Zeitungsartikel in der NZZ
